Letztes Update 18.08.2007

 

27. Oktober 1999

 

Pici - das Leben mit einem blinden Hund ...

 

„Wenn Du einen kleinen, blinden Hund finden solltest, kannst Du uns den geben ..." Das sagte ich vor einiger Zeit zu Marianne Wiethoff, als sie mal wieder nach Ungarn fuhr. Aber, zunächst fand sich erst einmal nichts, und ich vergaß die Angelegenheit, da ich mit meinen drei Hunden und vier Katzen eigentlich vollauf beschäftigt war.

Dann kam der Anruf: „Du, ich habe da einen kleinen, blinden Hund!!! Es ist ein „Seidenpinscher". Oh, dachte ich, nun ist es also soweit. Und was ist ein Seidenpinscher? Der Pinscher entpuppte sich bald als Mini-Malteser und meine Freude war groß. So ein "Schoßhündchen" gefiel mir immer schon, jedoch hatte ich nicht damit gerechnet, jemals solch einen Winzling mein Eigen zu nennen.

 

Einen Tag später konnte ich den Malteser-Rüden Pici in Empfang nehmen. Damit unser Tibeter Janosch sich gleich an den Gedanken, ein neues Familienmitglied aufnehmen zu müssen, gewöhnen konnte, nahm ich ihn mit, als ich unseren Zwerg bei Marianne abholte.

 

Ich sah in das Auto von Marianne und erblickte ein kleines, weißes, wuseliges Etwas, das in seinem Körben saß und aufgeregt vor sich hinbibberte. „So ein armes, kleines Würmchen" dachte ich. Das Würmchen entpuppte sich alsbald als ein dominantes Hündchen, das sehr wohl weiß, was es will, und das sich mit seinen winzigen Zähnen durchzusetzen versucht.

 

Von unserem Tierarzt erhielt Pici beim ersten Besuch den Spitznamen "Piranha".

 

Seine ehemaligen Besitzer hatten den Hund, von seiner Behinderung wissend, bei einem Züchter in Ungarn erworben. Leider erkrankten beide und konnten ihn nicht länger bei sich behalten und versorgen. Andere Familienmitglieder lehnten ab, Pici bei sich aufzunehmen und es blieb keine Wahl, er sollte eingeschläfert werden. Der Tierarzt, Dr. Gémes aus Sümeg, hatte an uns schon mehrfach Hunde vermittelt, die die Todesspritze bekommen sollten und so den Tieren mit Einwilligung der Besitzer das Leben gerettet. Auch im Fall Pici verwies er auf uns und konnte das Ehepaar überzeugen, uns das Hündchen zu überlassen.

 

Pici zog bei uns ein und lernte noch die beiden anderen Hunde, Wanda und Billy, kennen. Verunsichert, wie er war, hat er die Hunde erst einmal ständig verbellt, sobald sie in seine Nähe kamen. In der neuen Umgebung, völlig orientierungslos, lief er, sobald auf den Boden gesetzt, fortwährend im Kreis. Mein erster Gedanke, der Hund hat einen Drehwurm und ist krank. Einzig die Katzen, die sich den Eindringling etwas genauer anschauen wollten, brachten Pici davon ab, sich nur im Kreis zu bewegen. „Katzen, super!" schien sich der Zwerg zu sagen und wetzte, blind wie er ist, hinter ihnen her. Im Haus hatte er den Dreh schnell raus und wusste rasch, wo etwas im Weg stand. Natürlich durfte ich nun nichts mehr verstellen oder einfach liegen lassen.

 

Am ersten Tag nach seiner Ankunft gingen wir alle zusammen in den Wald. Ich wollte sehen, wie Pici an der Leine läuft. Er lief recht ordentlich, und ich war zufrieden, da er nun bewies, dass er tatsächlich sogar geradeaus laufen konnte. In der Nacht fielen dann reichlich Blätter von den Bäumen und irritierten Pici am nächsten Morgen erheblich bei unserem Spaziergang. Das am Boden liegende Laub raschelte beim Darüberlaufen, und er schien das Geräusch nicht zu kennen. Aber, unser kleiner, behinderter Hund lernte schnell, und am Tag darauf klappte das Laufen auch durch den herbstlichen Wald hervorragend.

 

Nach drei Monaten ließ ich Pici auf einer großen Wiese das erste Mal ohne Leine laufen ... und siehe da, er rannte los und machte sich zielsicher über die zahlreich am Boden verteilten Hasenküttel her. Also versuchte ich, ihn ohne Leine hinter mir herlaufen zu lassen. Ich war so stolz, aus dem sich nur im Kreis drehenden Hund einen Hund gemacht zu haben, der sich kaum noch von den nicht behinderten Hunden unterschied. Fremde bemerken sein Blindsein gar nicht mehr. Natürlich nehme ich mittlerweile die Flexileine, wenn auf einem Spaziergang Gefahr droht, er könne im leicht bergigen Land abstürzen oder in der Nähe von Wasser dort hineinfallen.

 

Da sich das Führen von mehreren Hunden, von denen einer blind war, in der ein oder anderen Situation etwas schwierig gestaltete, schafften wir eine Bauchtasche für Hunde an, in der Pici auch heute noch für sein Leben gerne einsitzt. Diese Tasche vor meinem Bauch verleiht dem „Pokémon" (Taschenmonster – einen treffenderen Begriff gibt es nicht) den absoluten Größenwahn. Was soll ihm schon passieren, notfalls kann man ja in der Tasche ganz verschwinden und außerdem ist Frauchen auch noch da ....

 

Außer der Katzenjagd, die sich doch in den Jahren sehr eingeschränkt hat, ist  seine große Leidenschaft unser Garten. Am schönsten ist es für ihn, wenn er durch die vielen Sträucher, die unseren Garten zieren, kriechen darf. Und wehe, es wagt sich jemand, an unserem Grundstück vorbeizugehen und hat auch noch einen Vierbeiner dabei, dann ist aber der Teufel los .... Pici ist eindeutig der beste Wachhund, den wir je hatten.

Pici sollte lernen, Treppen zu benutzen, damit er sich bei uns im Haus freier bewegen konnte. Aller Anfang war schwer, aber auch hier ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Jedoch meinte Pici  anscheinend, getragen zu werden sei nach wie vor bequemer. Und Frauchen machte schon .... Dann erkrankte Wanda, unsere Schnauzer/Pudel-Hündin (kurz: Schnudel) an einem Leistenbruch und wurde sofort notoperiert. Fortan musste die Hündin beim Hinab- und Hinaufgehen der Treppen eine Zeitlang getragen werden. Da es mir manches Mal zu mühevoll war, zweimal die Treppen zu laufen, um den oben wartenden und quietschenden Pici abzuholen, nahm ich ihn und Wanda auf den Arm, was Pici nicht gerade gut gefiel. Und siehe da ... - plötzlich raste der Wichtelmann mit den beiden  Rüden Billy und Janosch, möglichst mit lautem Geschrei, die Treppen ohne jede Hilfe hinunter. Wenn ich auch endlich an der Hoftüre zum Garten angelangt war, stand er bereits in den Startlöchern, um mit den beiden anderen Jungs hinauszustürzen und am besten Billy noch in die Haxen zu beißen. Billy, der Collie-Mix, hatte großen Respekt vor dem Zwerg und fürchtet sich entsetzlich vor seinen Attacken. Sobald Pici die Hoftüre passierte, stürzte er sich mit Getöse auf einen Ilexstrauch und riss ganze Blätterbüschel aus ihm heraus. Jedesmal ein Anblick, der urkomisch anmutete und mich zum Lachen brachte.

Manchmal, an heißen Tagen, hing Pici in seinem Beutel statt vor meinem Bauch am Hundewagen von Wanda, der seinerzeit eigens zum Transport unseres alten Hundmädchens angeschafft wurde, damit sie immer mit von der Partie sein konnte.

Wenn ich am Computer arbeite, muss Pici in seine „Bürokiste". Auch das hat er mittlerweile gelernt und akzeptiert. Natürlich will er, wie die anderen, auf die Couch. Nur, wenn er einmal oben ist, kommt er natürlich ohne Hilfe nicht wieder herunter. Also habe ich ein großes Kindersitzkissen, gefüllt mit Styroporkügelchen, angeschafft, das vor der Couch liegt und es ihm ermöglicht, über selbiges auf den Boden oder wieder zurück auf das Sofa zu gelangen. Im Auto ist er in einer Klappkiste  sicher untergebracht; im Winter noch zusätzlich in eine warme Decke gehüllt. Des Nachts schläft er in einem extra für ihn hergerichteten Bettchen, denn Pici braucht viel Platz.

Als Pici zu uns kam, lebten neben unseren Katzen die Hunde Janosch, Billy und Wanda in unserem Haus. Bald liebte er Janosch über alles und versuchte, sich ihm anzuschließen, was Janosch durchaus bis zu einem gewissen Grad akzeptierte. Billy allerdings wurde von ihm verfolgt, wobei er nichts Gutes im Schilde führte. Auch zu Wanda entwickelte Pici ein recht gutes Verhältnis.

Seit Pici bei uns einzog, musste er sich immer wieder an andere Tiere gewöhnen. Im Laufe der Jahre kamen Cosima, eine Pekinesen-Hündin, Ricky, ein uralter Pudel-Rüde, Lissy, eine Goldi-Collie-Schäfer-Mix-Hündin, Leon, ein Pekinesen-Rüde, Micki, eine uralte, an Krebs erkrankte Malteser-Hündin, Molly, eine Chihuahua-Pekinesen-Mix-Hündin und Vivo, ein Terrrier-Mix-Rüde hinzu.

 

Nachdem einige unserer geliebten Tiere über die Regenbogenbrücke gegangen sind, leben heute, August 2007. noch neben Pici bei uns ...

 

-    Leon, der blinde, einäugige Riesen-Pekinesen-Rüde, ebenfalls aus Ungarn, wo er höchstwahrscheinlich

-    als Übungs-Objekt für zum Kampf abgerichteter Hunde dienen sollte

-    ferner

-    Molly, das kleine Chihuahua-Pekinesen-Mix-Mädchen, was gehbehindert, einäugig und fast blind ist

-    und

-    Lupy, der Pekinesen-Papillon-Mix-Rüde aus Spanien, wo er einst in einer Tötungsstation gesessen hat

     zudem

-    Kater Bruno

     und

-    Katze Fatima, die einst beide herrenlos auf der Straße lebten

 

Am 1. März 2007 musste Pici ein Lungenlappen entfernt werden, da er von einem bösartigen Tumor befallen war. Pici hat diesen komplizierten Eingriff trotz sehr schlechter Prognose gut überstanden. Nach der Operation, die in der Tierklinik in Hofheim am Taunus stattfand, musste er drei Tage in der Tierklinik verbleiben, was für ihn und uns sehr schlimm war.

 

Im April/Mai dieses Jahres sind wir in einen Bungalow umgezogen, so dass Pici sich im Haus und Garten aufhalten kann. Der blinde Zwerg hatte keinerlei Eingewöhnungsschwierigkeiten und kann sich nun noch freier bewegen.

Über das tägliche Geschehen in unserem Haus informiert Leon in seinem Tagebuch ...

 

Unsere alten und/oder behinderten Hunde sind eine einzige Bereichung unseres Lebens mit Tieren. Sie zeigen uns jeden Tag auf, einem behinderten oder alten Tier ein neues Zuhause gegeben zu haben, war für uns der richtige Weg.

 

Alles in allem stellt Pici, der behinderte Hund, kein Problem dar. Sicherlich muss von Seiten des betreuenden Menschen die richtige Einstellung zu der Behinderung vorhanden sein. Tatsächlich bereitet es ohnegleichen Spaß, zu erleben, wie das kleine Wesen täglich dazulernt und trotz seines Handikaps so viel Lebensfreude empfindet und Zuneigung spendet.

 

 

Ohne unseren Pici wäre das Leben nur halb so schön ...

- wir hoffen so sehr, dass der Wichtelmann uns noch lange erhalten bleibt!!!!

 

 

Leider hat uns unser Zwerg am 5. November 2007 für

immer verlassen. Wir trauern sehr um diesen

ganz besondern kleinen Hund und werden ihn

niemals vergessen ...

 

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